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NATURAL
CAUSES
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B L U T , T I N T E
U N D T R Ä N E N
11. Oktober 2019. Irgendwo in Großbritannien
Die Wände der ehrwürdigen Residenz knarren mit jeder starken Windböe. Anfangs schien ein offizielles
Abendessen in diesem antiken Herrenhaus vielversprechend, aber die soziale Atmosphäre ist so ersti-
ckend, dass du lieber woanders sein würdest. Du hast es bereits geschafft, mindestens dreimal das falsche
Besteck zu verwenden, und beinahe deinen Wein auf der schneeweißen Tischdecke zu verschütten.
Du wärst nicht hier, wenn dein Chef hätte teilnehmen können. Leider hat dein Gastgeber dich als würdigen
Ersatz angesehen. Ben Hampton war ein guter Freund des ehemaligen Chief Constable der Polizei. Seit
dessen Tod lud er jedes Jahr einen Vertreter der Polizei zu seinen Dinnerpartys ein. Es wäre eine Schande
gewesen, ein Jahr zu verpassen – auch wenn es eine mehrstündige Fahrt für dich bedeutete, dorthin zu ge-
langen. Das Herrenhaus ist völlig isoliert, umgeben von dichten Wäldern und Sumpfland. Als ob das nicht
genug wäre, sind die Straßen, die vom Anwesen wegführen, wegen eines heftigen Sturms gesperrt. Die Gäs-
te können deshalb nicht vor morgen abreisen. Zumindest gibt es Essen umsonst. Nach unzähligen Gängen
und Desserts informiert die Dienerschaft, dass es Zeit für den Höhepunkt des Abends ist. Ihr werdet in ein
Studierzimmer gebracht, in welchem Ben Hampton, ein leidenschaftlicher Historiker, sich darauf vorberei-
tet, aus einer Auswahl alter Familiendokumente zu lesen. Wie wunderbar.
Hampton ist ein Mann in den Siebzigern, doch er genießt immer noch gute eine Gesundheit und scheint
die lebhafteste Person im Raum zu sein. Als er sich erhebt, verstummen alle Gespräche. Er nimmt einen
Schlüssel aus seiner Tasche, verschwindet für ein paar Minuten, und kommt dann mit einem großen, an-
gestaubten Umschlag zurück. Er hebt ihn hoch, damit alle Versammelten ihn sehen können.
Wir versammeln uns hier, wie jedes Jahr, am Todestag meines Vaters, der – wie sein Vater vor ihm – die Ge-
schichte unserer Familie in Erinnerung behalten wollte“, sagt er und hält kurz inne, um den lauen Applaus
ausklingen zu lassen. „Erinnern wir uns also an die glorreichen Tage dieses alten Herrenhauses.
Einige Gäste gähnen ungehalten. Dein Boss hat dich gewarnt, dass dieser Abend nicht gerade unterhaltsam
sein würde. Jedes Jahr präsentiert Ben Hampton historische Familiendokumente aus seinen Archiven, die
niemanden außer ihn selbst interessieren.
Hampton steht neben dem Kamin, gießt Wein in einen antiken Kelch, stellt ihn auf einen kleinen Tisch
neben den Sessel und öffnet vorsichtig den alten Umschlag. Entzückt berührt er die Titelseite.
„Besitzurkunde aus dem Jahr 1834, verfasst von Albert Hampton.“ Er leckt seinen Finger an und wendet das
Blatt. Konservatorin Loreen Doomstick, eine Frau in ihren Vierzigern, zieht geräuschvoll die Luft ein, ange-
sichts eines so unangebrachten Umgangs mit einem historischen Artefakt.
„Ahem. Im Namen von ..., sagt Hampton und löst den Kragen seines Hemdes. „Ahem. Ahem. Bitte entschul-
digen Sie mich. Im Namen … Ahem. Ahem ...
Die Dokumente rutschen ihm aus den Händen und fallen langsam auf den teuren Perserteppich.
„Herr im Himmel, Ben!“, ruft seine Frau Beatrice Hampton, als sie auf ihn zustürmt.
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